Von Amelia Massetti, Il Mitte, 25. August 2016, deutsche Übersetzung von Milena Rampoldi (ProMosaik).

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Die in Deutschland entfachte Debatte, über wer für den Pränataltest aufkommen soll, um festzustellen, ob das Kind Down-Syndrom hat, lässt erneut eine wichtige Diskussion über die Bedeutung der sozialen Inklusion der Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten aufkommen.

Diese Inklusion wird leider oft noch von einem verpflichtenden Verlauf zwischen Sonderschulen, betreuten Wohngemeinschaften und Werkstätten für Menschen mit Behinderung beeinträchtigt. Diese Situation führt zu einer tatsächlichen Segregation und zu einem „selektiven“ Einsatz der Ressourcen. Auch die vom Staat übernommenen Kosten, die größtenteils der Errichtung dieser getrennten Strukturen  dienen, lassen keinen Platz für andere Projekte, z.B. für die, die das Ziel verfolgen, Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten auch wirklich in die Gesellschaft einzugliedern.

Ganz nach demselben Prinzip investiert das System auch immer mehr in die Pränatalforschung und –diagnostik,um die Geburt von Kindern mit Down-Syndrom zu vermeiden, anstatt in Methoden und Interventionen zu investieren, die notwendig wären, um die Lebensqualität dieser Kinder nach ihrer Geburt zu verbessern.

Man begründet die gewünschte Durchführung der von der Krankenkasse übernommenen Pränataldiagnostik mit der Gewährleistung, dass eine geringere Anzahl von Kindern mit Behinderung auf die Welt kommen soll. Auf diese Weise nimmt die Gesellschaft wahr, dass diese Menschen unerwünscht sind und somit auf alle Fälle vermieden werden soll, dass sie überhaupt geboren werden.

Seit 2005 werden Schwangere in Dänemark von den Ärzten dazu aufgefordert, eine Pränataldiagnostik durchführen zu lassen. Und falls beim Fötus das Down-Syndrom festgestellt wird, so herrscht die Tendenz vor, eine Abtreibung zu empfehlen. Die zukünftige Mutter wird davon überzeugt, dass die Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom zu einer riesigen Verantwortung führen wird, die auch den Rest der Familie belasten wird. Daher ist es in den letzten Jahren in Dänemark zu einer solchen Reduzierung der Geburtenzahl der Kinder mit Down-Syndrom gekommen, dass man davon ausgehen kann, dass es innerhalb von 20 Jahren hier gar keine Menschen mit diesem Syndrom mehr geben wird.

Man versucht somit erneut, den Menschen mit Behinderung zu dämonisieren, wie es in der Antike der Fall war, als die Kinder mit Missbildungen von den Felsen geworfen wurden.

Anstatt zu arbeiten, um die Inklusion in der Schule und auf dem Arbeitsplatz zu fördern, regrediert unsere Gesellschaft auf ein Niveau, auf dem die Unterschiede nicht akzeptiert werden, sondern schon vor der Geburt aus der Welt geschaffen werden.

Natürlich sollen die Frauen und im Allgemeinen die Eltern respektiert werden, die auch die Freiheit haben, sich für oder gegen ein Kind mit Behinderung zu entscheiden. Dennoch sei aber darauf hingewiesen, wie eine Stigmatisierungspolitik wie diese das Risiko in sich birgt, dass sich Familien, die sich für einen anderen Weg entscheiden, ausgeschlossen fühlen.

Außerdem berücksichtigt man in diesem Falle gar nicht, wie schmerzhaft es für die Menschen mit Down-Syndrom sein muss, die diese Diskriminierung sehr wohl nachvollziehen können, einer „Spezies“ anzugehören, die es auszurotten gilt.

Auf diese Weise fördert die Gesellschaft die Geburt eines perfekten Kindes, am besten „blond und hellhäutig“ und schlägt die pränatale Ausrottung von Kindern vor, die keine „normalen Fähigkeiten“ aufweisen. Wie können sich denn die Menschen mit Behinderung und ihre Familien auf dieser Grundlage angenommen fühlen, wenn man sie als aprioristisch Auszurottende sieht? Denn anstatt die Stereotypen und Vorurteile gegen die Behinderung zu überbrücken, will man hier das Problem von Anfang an aus der Welt schaffen. Dabei berücksichtigt man gar nicht, dass sich eine Gesellschaft eigentlich darum kümmern sollte, die Lebensbedingungen der Schwachen zu verbessern und dass dies wesentlich für Einige und nützlich für alle ist.

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